Geschichte der Combino Duo
Die ersten Überlegungen zu einer Verbindung der Harzer Schmalspurbahnen und der Nordhäuser Straßenbahn reichen bis in die 1980er Jahre zurück.
Die Grundvoraussetzungen hierfür waren günstig, da beide Bahnen eine Spurweite von 1000mm (Schmalspur) nutzen und die Gleisnetze am Bahnhof Nordhausen weniger als 50m voneinander entfernt liegen.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands kamen konkrete Pläne auf, dieses Projekt in Angriff zu nehmen. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur trat an die Harzer Schmalspurbahnen und die Verkehrsbetriebe Nordhausen heran, um das Vorhaben zu konkretisieren und die Umsetzung zu vereinbaren. Voraussetzung hierfür war seitens des Ministeriums der Auftrag, den Verkehr der Straßenbahn von Nordhausen bis nach Ilfeld sicherzustellen.
Vor der Vertragsunterzeichnung war es notwendig, zunächst die Lösbarkeit der technischen Herausforderungen nachzuweisen. Da die Strecke der Harzer Schmalspurbahnen nicht elektrifiziert ist, musste eine Möglichkeit geschaffen werden, die Straßenbahn mit alternativem Antrieb auszurüsten. Federführend an der ursprünglich rein internen Arbeit der Verkehrsbetriebe Nordhausen waren die Herren Sven Gebhardt und Jiri Jahn.
1994 wurden mehrere Triebwagen des Typs GT4 Z aus Freiburg im Breisgau erworben. Eines dieser Fahrzeuge, Wagen #94, wurde versuchsweise mit einem Baustellen-Notstromaggregat und einem Gleichrichter ausgerüstet. Fahrversuche ohne Oberleitungsstrom auf dem Betriebshof der Nordhäuser Straßenbahn waren in den Jahren 1997 und 1998 erfolgreich, so dass das alternative Antriebskonzept weiterverfolgt wurde.
Zu dieser Zeit wurde als externer Entwicklungspartner das Nordhäuser Unternehmen IMG angesprochen. Dessen damaliger Geschäftsführer Otto Brandt entschloss sich zur Mitarbeit an diesem ambitionierten Projekt.
Im weiteren Vorgehen wurde ein Triebwagen Typ GT4, der aus Stuttgart angekauft worden war, im Jahr 2000 mit Verbrennungsmotoren des Herstellers Volkswagen ausgerüstet. Dieses „Twino“ genannte Versuchsfahrzeug, Wagen #72, führte vorwiegend in Niedersachswerfen umfassende Tests und Probefahrten durch. Anfangs wurde mit einem einzelnen Verbrennungsmotor als Energiequelle getestet, und als sich diese Lösung als zu leistungsschwach erwies, mit zwei Motoren. Hier war die Gleichschaltung eine technische Hürde, die sich längere Zeit nicht zufriedenstellend überwinden ließ. In dieser Zeit der Entwicklung und Fahrversuche wurden von den beteiligten Mitarbeitern beider Unternehmen auch zahlreiche freiwillige Arbeitsstunden investiert, oft in der Freizeit und an Sonn- und Feiertagen.
Schließlich kam man zu der Überzeugung, die technischen Herausforderungen eines Zweikraftantriebs meistern zu können. Anlässlich des 100jährigen Bestehens der Stadtwerke Nordhausen wurde der „Twino“ der Öffentlichkeit vorgeführt.
2001 wurde der Vertrag zwischen dem Ministerium und den beiden Bahnunternehmen HSB und VBN unterzeichnet.
Im Jahr 2002 begannen die Bauarbeiten zum Lückenschluss zwischen beiden Streckennetzen am Nordhäuser Hauptbahnhof.
Parallel wurden die Versuchsfahrten mit dem „Twino“ abgeschlossen; und es wurden drei Zweirichtungstriebwagen des Typs Combino bestellt, welche zukünftig die neue Strecke bedienen sollten.
In diese drei Fahrzeuge wurde die serienreif entwickelte, sogenannte ultrakompakte Antriebseinheit „UKA“ eingebaut. Dabei handelt es sich um einen Achtzylinder-Turbodieselmotor des Herstellers BMW, an den ein Generator angeflanscht ist. Der erzeugte Drehstrom wird mittels einer Leistungselektronik so umgewandelt, dass die Fahrmotoren und Zusatzaggregate des Triebwagens betrieben werden können.

Positioniert wurde die UKA im Mittelteil der Combinos, zwischen den Türen. Hierdurch reduzierte sich das Platzangebot der „Combino Duo“ genannten Fahrzeuge auf je 27 Sitz- und 68 Stehplätze.
Die drei Fahrzeuge wurden zwischen Januar und März 2004 an die Verkehrsbetriebe Nordhausen ausgeliefert. Nach jeweils drei Monaten Inbetriebnahme konnte mit dem ersten Combino Duo der Linienbetrieb am 1. Mai 2004 aufgenommen werden. Seitdem wird die Linie 10 vom Südharzklinikum über den Bahnhof Nordhausen zur Neanderklinik Ilfeld bedient.
Auch im Linienbetrieb gab es noch Herausforderungen zu lösen; so stellten sich Schwierigkeiten mit der Hitzeentwicklung und der Leistungselektronik heraus, welche nach und nach durch gezielte Verbesserungen und Weiterentwicklungen behoben werden konnten.
Die BMW-Motoren wurden anfangs alle 2500 Betriebsstunden überholt. Durch die kontinuierliche Verfeinerung der Technik konnten diese Intervalle bis heute auf über 4000 Betriebsstunden erhöht werden. Die regelmäßige Wartung, Instandsetzung und Prüfung der UKA wird bis heute durch Servicetechniker der IMG Electronic & Power Systems GmbH durchgeführt.
Das bis heute einmalige Projekt hat sich als Erfolgsmodell erwiesen. Jährlich fahren die Combino Duos der Verkehrsbetriebe Nordhausen 105.000km für die Harzer Schmalspurbahnen.
Die Bedienung der Linie 10 durch die Duo-Tram ist bis mindestens Ende 2030 abgesichert – so lange läuft der Verkehrsleistungsvertrag zwischen HSB und VBN auf der Strecke Nordhausen/Bahnhofsplatz bis Ilfeld/Neanderklinik. Ebenso lange läuft der Dienstleistungsvertrag mit der IMG – und wir werden uns darauf einrichten, die Wartungen auch über diese Zeit hinaus durchführen zu können.
Was als Folgelösung für die Zeit danach kommen wird, ist derzeit noch offen. Möglich ist die Elektrifizierung der Strecke, um zukünftig mit jedem herkömmlichen Zweirichtungsfahrzeug die Linie 10 bedienen zu können. Möglich ist auch die Bestellung einer neuen Generation von Zweikraft-Straßenbahnen mit einem modernen Antriebssystem. Wir dürfen gespannt sein.